
Warum Schafe und ihre Wolle so wichtig für unsere Landschaft - und für uns Stricker – sind
Ein Plädoyer für ein neues Verständnis von Wolle und Schafhaltung
Schafe sind weit mehr als nur Wolllieferanten – sie sind Landschaftspfleger, Umweltschützer und unverzichtbare Helfer für stabile Ökosysteme. Gleichzeitig steckt hinter der Wollproduktion eine komplexe Geschichte zwischen Tradition, Tierwohl und modernen Herausforderungen. Warum Wolle viel zu wertvoll ist, um als Abfallprodukt zu enden, und weshalb es sich lohnt, genauer hinzuschauen – das erfährst du hier.
Inhalt
- 1 Schafe und die Landschaftspflege
- 2 Schafe trotzen Wind und Wetter
- 3 Warum Schafe trotzdem geschoren werden müssen
- 4 Wolle – ein Minusgeschäft
- 5 Unterschiedliche Schafe, unterschiedliche Wolle
- 6 Die Diskussion um Mulesing – wichtig, aber differenziert betrachten
- 7 Und trotzdem: Viel zu schade für die Dämmung!
Schafe und die Landschaftspflege
Wer an Schafe denkt, hat oft das Bild friedlich grasender Tiere im Kopf, die irgendwo über eine Wiese – oder die Rheinauen – ziehen. Doch unsere wolligen Landschaftspfleger leisten weit mehr, als nur gemütlich auszusehen. In vielen Regionen – wie im Rheinland – werden sie gezielt zur Landschaftspflege und zum Hochwasserschutz eingesetzt. Durch ihr stetiges Grasen halten sie die Grasnarbe niedrig und dicht, verhindern Verbuschung und tragen damit aktiv zum Erhalt wertvoller Lebensräume bei. Besonders an Flussufern ist das wichtig – eine stabile Grasnarbe schützt und hilft, Hochwasserschäden zu verringern.
Schafe trotzen Wind und Wetter
Auch im Winter bleiben Schafe draußen – und das ist für sie völlig natürlich. Ihr dichtes Wollkleid und der schützende Fettanteil (Lanolin) sorgen dafür, dass Kälte, Nässe und Wind ihnen kaum etwas anhaben können. Die Natur, aber auch die Zucht, hat sie über Jahrtausende perfekt an raue Bedingungen angepasst, denn die Wolle unserer Schafe ist durch den Menschen angezüchtet worden.
Warum Schafe trotzdem geschoren werden müssen
So robust Schafe auch sind: Ein bis zwei Schuren pro Jahr sind Pflicht. Geschieht das nicht, kann es für die Tiere gefährlich werden. Zu viel Wolle begünstigt Parasiten, im Sommer droht ihnen durch Überhitzung sogar ein Kollaps und bei Nässe kann die Wolle so schwer werden, dass das Schaf eventuell nicht mehr aufstehen kann. Die Vorstellung, Schafe würden „einfach so“ ohne Schur auskommen, ist also ein Mythos – Schur ist Tierwohl.
Wolle – ein Minusgeschäft
So wertvoll das Material ist: Die Preise für Rohwolle sind in den letzten Jahren dramatisch gefallen. Für viele Schäferinnen und Schäfer hier im Rheinland lohnt sich die Schur wirtschaftlich kaum noch. Wolle wird dadurch oft eher als Abfallprodukt betrachtet, und ein großer Teil landet in der Dämmstoff und Düngemittelproduktion statt auf dem Spinnrad – schlicht, weil es finanziell realistischer ist.
Unterschiedliche Schafe, unterschiedliche Wolle
In der Rheinebene zeigt sich besonders gut, wie vielseitig Schafhaltung und Wolle sein können.
In den heideähnlichen Landschaften kommen Moorschnucken zum Einsatz. Sie sind perfekt für die Pflege offener, nasser und nährstoffarmer Flächen. Sie haben eher eine grobe, robuste Wolle.
In flussnahen Gebieten hingegen findet man häufig Merinolandschafe. Sie liefern eine weichere, feinere Faser – eine Wolle, die viele von uns Stricker*innen besonders schätzen.
Die Diskussion um Mulesing – wichtig, aber differenziert betrachten
Die Wollproduktion ist weltweit nicht frei von Kritik. Besonders das in einigen Ländern angewandte Mulesing hat dem Ruf der Wolle geschadet. Es handelt sich um eine schmerzhafte Prozedur, die dem Schutz vor Fliegenmaden dienen soll, aber Tierschützerinnen zu Recht alarmiert.
Doch: Dieses Verfahren wird nicht überall praktiziert – und gerade in Deutschland und vielen europäischen Ländern setzen die Betriebe auf tierfreundliche Alternativen. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu kennen, um Wolle nicht pauschal zu verurteilen. Viele Schäfer*innen messen den Wert ihrer Tiere nicht am Wollprofit, sondern an ihrem Beitrag zur Natur, ihrer Gesundheit und ihrem Wohlergehen. Wolle ist ein komplexes Thema das nicht nur schwarz oder weiß betrachtet werden kann – es gibt wie immer im Leben viele Farbtöne die dazwischen liegen und es gelingt uns hoffentlich diese in unserem kurzen Blogartikel zu vermitteln.
Und trotzdem: Viel zu schade für die Dämmung!
Eigentlich ist es kaum zu fassen: Wolle – ein Naturmaterial mit so großartigen Eigenschaften – landet oft in der Dämmung, statt als hochwertige Strickwolle verarbeitet zu werden. Denn Wolle kann so viel:
atmungsaktiv – sie kann bis zu 30 % ihres Gewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich nass anzufühlen
temperaturausgleichend – sie besitzt eine natürliche Thermoregulations-Eigenschaft
geruchsneutral – sie nimmt schwer Gerüche an
selbstreinigend – Schmutz bleibt kaum haften
nachhaltig – nachwachsend, biologisch abbaubar und langlebig
schwer entflammbar – durch ihren natürlichen Aufbau
Ein Material mit solch herausragenden Fähigkeiten sollte nicht als Abfallprodukt enden.
Fazit
Wolle ist ein faszinierender Rohstoff, der Jahrhunderte überdauert hat – und doch wird er heute oft unterschätzt oder falsch eingeordnet. Kritikpunkte wie Mulesing müssen ernst genommen werden, aber gleichzeitig sollten wir die Vielfalt der Schafhaltung und die vielen verantwortungsvoll arbeitenden Betriebe sehen. Nur wenn wir beide Seiten betrachten, erkennen wir den wahren Wert der Wolle: ein tierfreundlich erzeugbares, nachhaltiges, vielseitiges Naturmaterial.
Umso unverständlicher ist es, dass Wolle häufig in Dämmstoffen landet, statt ihren Weg als hochwertige, verarbeitete Strickwolle zu finden. Wer einmal mit echter, gut verarbeiteter Wolle gearbeitet hat, weiß, dass sie kaum zu übertreffen ist – in ihren Eigenschaften, in ihrer Nachhaltigkeit und in ihrem natürlichen Charme.
Das ausführliche Interview, dass mein Redaktionskollege Gerhard Altenhofen und ich mit Moritz Schulze einem Nebenerwerbsschäfer über „Landschaftspflege und Schafe“ geführt haben könnt ihr übrigens in unserer kUP (Kleine Urdenbacher Post) lesen. »» Den Link dazu füge ich ein, sobald unsere Dezember Ausgabe Online verfügbar ist.
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